OLG Hamm zu den Voraussetzungen einer rechtsmissbräuchlichen wettbewerbsrechtlichen Abmahnung…
Die Beklagte betrieb einen ebay-shop und bot über ebay Schmuck und Accessoires an. Die von ihr eingestellten Angebote enthielten folgende Widerrufsbelehrung:
„Sie können Ihre Vertragserklärung innerhalb von einem Monat ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung …“
Die Klägerin bietet ebenfalls über die Auktionsplattform ebay u.a. Geldbörsen und Etuis an. Ihr Umsatz im August 2008 belief sich auf 184,88 €.
Mit Anwaltsschreiben vom 30.06.2008 forderte sie die Beklagte unter Fristsetzung zum 14.07.2008 auf, künftig keine Waren über ebay ohne eine ordnungsgemäße Belehrung über den rechtlich zutreffenden Fristbeginn für den Widerruf zu verkaufen, insoweit eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben und die mit 717,81 € bezifferten Abmahnkosten zu erstatten, basierend auf einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 €.
Dies lehnte die Beklagte ab, woraufhin die Klägerin Klage erhob.
Das Landgericht Bielefeld hat die Klage durch Urteil vom 5. November 2008 abgewiesen. Es hat den Unterlassungsanspruch nicht für begründet erachtet, weil es den Gesetzesverstoß in erster Linie als Bagatelle i.S.d. § 3 UWG angesehen hat. Darüber hinaus sei die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG. Daraufhin legte die Klägerin Berufung zum OLG Hamm ein.
Die Entscheidung des OLG Hamm:
Das OLG Hamm hat die Entscheidung des LG Bielefeld bestätigt und die Klage als unzulässig wegen Rechtsmissbrauchs abgewiesen.
„Zu Recht hat das Landgericht hier einen Fall rechtsmissbräuchlicher Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs angenommen. Nach § 8 Abs. 4 UWG liegt ein solcher Fall vor, wenn unter Berücksichtigung der gesamten Umstände die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs vorwiegend dazu dient, gegen den zuwider Handelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.
Das ist hier der Fall.“
Interessant ist die nun folgende Begründung. Das Gericht vertrat die Ansicht, dass es bereits rechtsmissbräuchlich sein soll, wenn der Abmahnende an mehrere Wettbewerber Abmahnungen bezüglich eines ganz bestimmten Wettbewerbsverstoßes ausspricht. Diese „Spezialisierung“ auf einen Wettbewerbsverstoß könne nicht als ernst gemeinte Wahrung des lauteren Wettbewerbs gelten:
„Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin 11 weitere Abmahnungen ausgesprochen hat, und zwar alle nach demselben Muster. Nach der Behauptung der Beklagten begründete die Klägerin jede der erfolgten Abmahnungen wie im vorliegenden Fall auch mit einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung durch den fehlenden Hinweis auf den Erhalt einer gesonderten Belehrung in Textform. Die Klägerin hat dies nicht in Abrede gestellt, sondern ihr Verhalten nur zu erläutern versucht. Es spricht aber nicht für eine ernsthaft gemeinte Überwachung des lauteren Wettbewerbs, wenn sich ein Wettbewerber nur auf die Verfolgung eines bestimmten Wettbewerbsverstoßes gewissermaßen spezialisiert. Dies zeigt, dass es ihm eben nicht insgesamt um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs geht.“
Ob diese Argumentation alleine ausgereicht hätte, die Klage als rechtsmissbräuchlich abzuweisen, muss bezweifelt werden. Im vorliegenden Fall lagen denn auch weitere, gewichtigere Gründe für eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung vor:
„Vor allem steht der eigene Umsatz der Klägerin in keinem Verhältnis zu dieser umfangreichen Abmahntätigkeit in relativ kurzer Zeit. Unwidersprochen hat die Beklagte dargelegt, dass die Klägerin einen monatlichen Umsatz von maximal 200,00 € erzielt. Wenn dann noch der Anwalt der Klägerin der Neffe des Inhabers der Klägerin ist, schließt sich der Kreis, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin nicht deshalb erfolgt, um die Wettbewerber zum Schutz ihrer eigenen Tätigkeit zu wettbewerbsrechtskonformem Verhalten anzuleiten, sondern dass die Klägerin hier nur eine gewinnbringende Beschäftigung betreiben will.“
Schließlich kritisierte das Gericht auch, dass die Klägerin einige erfolglose Abmahnungen nicht gerichtlich geltend gemacht habe. Von einer konsequenten Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zum Schutz des lauteren Wettbewerbs könne somit nicht die Rede sein:
„Schließlich spricht auch die eigene Einlassung der Klägerin für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten, soweit es die Verfolgung der ausgesprochenen Abmahnungen betrifft. Dass sich die Klägerin bei Herrn D großzügig gezeigt hat, ist wegen des sozialen Engagements des Herrn D sicher verständlich und anerkennenswert. Bei Herrn N ist dieser Großmut schon weniger nachvollziehbar, wenn es der Klägerin nur darum gegangen wäre, für die Lauterkeit des Wettbewerbs Sorge zu tragen. Allein der Umstand, dass schon gegen die Mutter ein wettbewerbsrechtliches Unterlassungsurteil ergangen war, ist an sich kein Grund, auf die Verfolgung des Wettbewerbsverstoßes des Sohnes zu verzichten.
Bei Herrn B hat sich die Klägerin aus unerfindlichen Gründen damit zufrieden gegeben, dass der abgemahnte Verletzer seinen Internetauftritt korrigiert hat.
Gleiches gilt im Falle E. So zeigt die eigene Darstellung der Klägerin schon, dass hier von einer konsequenten Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zum Schutz des lauteren Wettbewerbs nicht die Rede sein kann. Die Klägerin hat sich eher wie ein Wettbewerbspolizist geriert, der im Einzelfall Gnade vor Recht ergehen lässt. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist dem Mitbewerber aber gerade deshalb die Klagebefugnis zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gegeben, um seine eigenen Wettbewerbsinteressen verfolgen zu können. Diesen Interessen ist aber regelmäßig erst dann gedient, wenn der abgemahnte Wettbewerbsverstoß endgültig und mit Sicherheit abgestellt ist, also durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung des Abgemahnten oder durch dessen Verurteilung.“
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