AG Montabaur: Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei DSL-Verträgen erlischt auch nach Freischaltung des Anschlusses nicht…
Im vorliegenden Fall hatte der Kläger bei der Beklagten, die Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich anbietet, im Januar 2007 einen DSL-Netzanschluss beauftragt. Der Vertrag wurde ausschließlich unter Verwendung des Telefons abgeschlossen. Der Kläger wurde gefragt, ob er eine schnellstmögliche Schaltung des DSLNetzanschluss wolle. Dies bejahte dieser. Die Beklagte übersandte dem Kläger ein sog. DSL-Paket einschließlich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten. Der Kläger beabsichtigte, den Anschluss privat zu benutzen und handelte als Verbraucher. Innerhalb der Widerrufsfrist nach §§ 312 d Abs. 2, 355 Abs. 1 S. 2 BGB widerrief der Kläger mit Schreiben vom 31.1.2007 seine Willenserklärung.
Mit Schreiben vom 7.2.2007 bestätigte die Beklagte den fristgemäßen Eingang der Kündigung beziehungsweise des Widerrufs. Die Beklagte teilte jedoch mit, dass sie eine Kündigung erst zum 30.1.2009 berücksichtigt habe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.2.2007 wurde die Beklagte aufgefordert, den DSL-Port bis zum 27.2.2007 freizugeben. Dem kam die Beklagte zunächst nicht nach.
Mit Schreiben des Rechtsanwalts im Auftrage der Beklagten wurde der Kläger unter dem 17.4.2007 zur Zahlung einer angeblich offenen Forderung in Höhe von 176,51 € aufgefordert; Dem Kläger wurde eine Zahlungsfrist bis zum 24.4.2007 gesetzt.
Zum 25.4.2007 kündigte die Beklagte aufgrund offener Forderungen gegenüber dem Kläger das Vertragsverhältnis.
Der Kläger begehrte nun mit seiner Klage die Feststellung, dass ein Vertrag mit der Beklagten – aufgrund seines wirksamen Widerrufs – nicht zustande gekommen sei.
Die Entscheidung des AG Montabaur
Das Gericht gab der Klage im Ergebnis statt, da der Kläger den Vertrag fristgerecht widerrufen habe und das Widerrufsrecht auch nicht gemäß § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB erloschen sei. Aus den Urteilsgründen:
„Unstreitig liegt ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312d Abs. 1 S. 1 BGB vor. Es liegt ein Vertrag über die Erbringung einer Dienstleistung, nämlich die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses, vor. Unstreitig handelte es sich zudem um ein Rechtsgeschäft zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher. Auch kam der Vertrag unstreitig unter Verwendung des Telefons zustande.
Der Kläger hat den Widerruf auch fristgerecht erklärt. Zwar lässt sich der Akte nicht entnehmen, wann genau der Kläger seine Willenserklärung im Hinblick auf den Abschluss eines Vertrages mit der Beklagten abgegeben hat. Jedenfalls hat die Beklagte den Vortrag der Klägerseite, dass das klägerische Schreiben vom 31.1.2007 der Beklagten rechtzeitig zugegangen sei, nicht bestritten.
Zweifel an einer hinreichend deutlich zum Ausdruck gebrachten Widerrufserklärung hat das Gericht nicht. Zwar spricht der Beklagte von einer Kündigung des Vertrages. Andererseits findet sich auch ein Hinweis des Kläger auf das „Widerrufsrecht 10.1 der AGB von (…)“ (vgl. Bl. 7 GA). Es genügt eine Äußerung des Verbrauchers, aus der sich ergibt, dass er den Vertrag nicht mehr gelten lassen will. Dies ist hier der Fall.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Widerrufsrecht auch nicht erloschen gemäß § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift erlischt das Widerrufsrecht bei einer Dienstleistung, wenn der Unternehmer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Verbrauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen oder der Verbraucher diese selbst veranlasst hat. So trägt der Kläger selbst vor, dass der er bei der Frage nach der schnellstmöglichen Schaltung des DSL-Netzanschlusses einen entsprechenden Willen geäußert hat. Daraufhin hat die Beklagte bereits die Aufschaltung des DSL-Anschlusses bei ihrem Technologiepartner, der (…), beantragt. Eine bloße Vorbereitungshandlung für die Ausführung der Dienstleistung ist darin wohl nicht mehr zu sehen; vielmehr liegt der Beginn der Ausführung wohl in der Freischaltung des Anschlusses (vgl. hierzu auch Schmidt-Räntsch, in: Bamberger/Roth, BGB, § 312d Rn. 28).
In Rechtsprechung und Literatur ist es jedoch umstritten, ob bei der Anwendung der Vorschrift des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB möglicherweise zwischen teilbaren und unteilbaren Dienstleistungen zu differenzieren ist.
Nach einer Auffassung soll es auf die Teilbarkeit der Dienstleistung gerade nicht ankommen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, 65. Auflage, § 312d Rn. 7a). Das Widerrufsrecht erlischt nach dieser Auffassung vollständig und nicht nur für die Vergangenheit (Schmidt-Räntsch, a.a.O.).
Nach der Gegenansicht ist die Vorschrift dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts nur bei unteilbaren Dienstleistungen gilt. Insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen – wie z.B. bei einem Miet-, Provider- oder Mobilfunkvertrag – sei es dem Unternehmer zuzumuten, den Vertrag bei Widerruf des Verbrauchers ex nunc zu beenden. Lediglich im Hinblick auf die Vergangenheit bleibe es dabei, dass eine Rückabwicklung nicht stattfindet (AG Elmshorn, NJW 2005, 2404 f.; Wendehorst, in: Münchener Kommentar, 5. Auflage, § 312d Rn. 56; Thüsing, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2005, § 312d Rn.36).
Der letztgenannten Ansicht schließt sich das erkennende Gericht an. Der Sinn und Zweck des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB ist es gerade, eine den Unternehmer belastende Rückabwicklung zu verhindern; Dienstleistungen können im Gegensatz zu gelieferten Waren nicht ohne weiteres problemlos rückabgewickelt werden. Der Verbraucher soll zudem nicht einerseits die Vorteile einer raschen Leistungserbringung seitens des Unternehmers haben und andererseits den Vertrag noch widerrufen können. Eine unzumutbare Belastung des Unternehmers vermag das Gericht bei teilbaren Dienstleistungen jedoch nicht zu erkennen. Das Problem einer Rückabwicklung stellt sich im Hinblick auf bereits erbrachten Teilleistungen des Unternehmers nicht. Vielmehr erscheint gerade der Verbraucher schutzwürdig, insbesondere wenn er sich für eine längere Zeit – im Bereich der Telekommunikationsdienstleistungen zumeist für eine Mindestvertragslaufzeit zu Beginn von 24 Monaten – bindet. Die bereits erbrachte Teilleistung kann der Unternehmer nach wie vor abrechnen; lediglich die zukünftigen Dienstleistungen braucht der Verbraucher nicht in Anspruch zu nehmen. Oftmals kann der Verbraucher bei Fernabsatzgeschäften auch erst nach der erstmaligen Erbringung der Dienstleistung deren wirkliche Brauchbarkeit für ihn bzw. die Qualität der Dienstleistung
beurteilen.
Der vom erkennenden Gericht vertretenen Auffassung steht auch nicht das Urteil des BGH vom 16.3.2006 (BGHZ 166, 369 ff.) entgegen. Der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt bezieht sich gerade auf eine unteilbare Dienstleistung (Annahme eines R-Gesprächs). Zu der Frage einer differenzierenden Betrachtung hat sich der BGH insoweit nicht geäußert.“
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