EuGH zur Privatkopievergütungspflicht von Herstellern und Importeuren von Leermedien…
Die Mitgliedstaaten, die die Privatkopieausnahme eingeführt haben, müssen eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten, der dazu bestimmt ist, die Urheber zu entschädigen. Diese Ergebnispflicht besteht auch dann, wenn der gewerbliche Verkäufer der Vervielfältigungsmedien in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.
Nach der Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, haben die Urheber, die ausübenden Künstler und die Hersteller das ausschließliche Recht der Vervielfältigung von Ton-, Bild- und audiovisuellem Material. Ausnahmsweise können die Mitgliedstaaten jedoch private Kopien erlauben, sofern die Inhaber des Urheberrechts einen „gerechten Ausgleich“ erhalten. Dieser muss dazu beitragen, dass den Rechtsinhabern die Nutzung ihrer geschützten Werke oder sonstigen Schutzgegenstände angemessen vergütet wird.
Das niederländische Recht sieht eine solche Ausnahme für Kopien zum privaten Gebrauch vor. Die Entrichtung der Privatkopievergütung ist Sache des Herstellers oder Importeurs des Vervielfältigungsträgers. Die Stichting De Thuiskopie ist die mit der Erhebung der Privatkopievergütung betraute niederländische Einrichtung. Opus ist eine in Deutschland niedergelassene Gesellschaft, die über das Internet Rohlinge für Vervielfältigungsträger, also unbespielte Träger, vertreibt. Ihre Tätigkeit ist mittels niederländischsprachiger Websites, die auf die niederländischen Verbraucher abzielen, insbesondere auf die Niederlande ausgerichtet.
Der von Opus aufgesetzte Kaufvertrag sieht vor, dass eine von einem niederländischen Verbraucher aufgegebene Online-Bestellung in Deutschland bearbeitet wird und die Waren von Deutschland aus in die Niederlande für Rechnung und im Namen des Kunden durch ein Postbeförderungsunternehmen versandt werden. Opus zahlt für die an ihre Kunden in den Niederlanden gelieferten Datenträger weder dort noch in Deutschland eine Privatkopievergütung
Die Stichting vertritt die Ansicht, Opus sei als „Importeur“ und infolgedessen als Schuldnerin der Privatkopievergütung zu betrachten, und erhob gegen dieses Unternehmen bei den niederländischen Gerichten Klage. Opus ist dagegen der Ansicht, dass die niederländischen Käufer als Importeure einzustufen seien.
Diesem Verteidigungsvorbringen von Opus folgend wiesen die niederländischen Gerichte die Zahlungsklage der Stichting im ersten Rechtszug ab und sodann das von dieser eingelegte Rechtsmittel zurück. Die Stichting legte beim Hoge Raad der Nederlanden (Oberstes Gericht der Niederlande) Kassationsbeschwerde ein; der Hoge Raad hat den Gerichtshof angerufen.
Der Hoge Raad führt aus, mit der Annahme, dass der Käufer, also der einzelne Verbraucher, Importeur und damit Schuldner der Privatvergütung sei, werde letztlich eingeräumt, dass diese Vergütung faktisch nicht vereinnahmt werden könne, da der einzelne Käufer in der Praxis schwer zu ermitteln sei.
Vorab stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie nicht ausdrücklich die Frage regelt, wer als Schuldner des gerechten Ausgleichs zu betrachten ist. Er weist jedoch auf eine Rechtsprechung hin, wonach der gerechte Ausgleich als eine Gegenleistung für den dem Urheber entstandenen Schaden zu sehen ist.
Da der Verursacher des dem ausschließlichen Inhaber des Vervielfältigungsrechts entstandenen Schadens die Person ist, die ohne vorherige Genehmigung des Rechtsinhabers eine solche Vervielfältigung eines geschützten Werks für ihren privaten Gebrauch vornimmt, ist grundsätzlich diese Person verpflichtet, den mit dieser Vervielfältigung verbundenen Schaden wiedergutzumachen, indem sie den Ausgleich finanziert, der an den betroffenen Rechtsinhaber gezahlt wird.
Der Gerichtshof hat jedoch anerkannt, dass es unter Berücksichtigung der praktischen Schwierigkeiten, die privaten Nutzer zu identifizieren und sie zu verpflichten, den Rechtsinhabern den ihnen zugefügten Nachteil zu vergüten, den Mitgliedstaaten freisteht, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine „Abgabe für Privatkopien“ einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen oder diesen die Dienstleistung einer Vervielfältigung erbringen.
Zur Frage der Bestimmung der Person, die als Schuldner des gerechten Ausgleichs zu betrachten ist, weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber für das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte ein hohes Schutzniveau gewährleisten wollte, da diese für das geistige Schaffen wesentlich sind. Durch die Einführung der Privatkopieausnahme dürfen daher die berechtigten Interessen der Inhaber des Urheberrechts nicht ungebührlich verletzt werden.
Somit erlegen die Bestimmungen der Urheberrechtsrichtlinie dem Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat, eine Ergebnispflicht in dem Sinne auf, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss, der dazu bestimmt ist, den Urhebern den ihnen entstandenen Schaden insbesondere dann zu ersetzen, wenn er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entstanden ist, da diesen Bestimmungen sonst jede Wirksamkeit genommen würde
Im vorliegenden Fall steht fest, dass der den Urhebern entstandene Schaden im niederländischen Hoheitsgebiet entstanden ist, da die Käufer – als Endnutzer der geschützten Werke zum privaten Gebrauch – dort wohnen.
Im Zusammenhang mit Verträgen, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, erweist es sich in der Praxis als unmöglich, einen solchen Ausgleich bei den Endnutzern als Importeuren dieser Träger in die Niederlande zu erheben. Unter diesen Umständen und in Anbetracht dessen, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat gewählte Erhebungsregelung diesen nicht von der Ergebnispflicht befreien kann, den geschädigten Urhebern die tatsächliche Zahlung eines gerechten Ausgleichs als Ersatz des in ihrem Hoheitsgebiet entstandenen Schadens zu gewährleisten, ist es Sache der Träger der öffentlichen Gewalt, insbesondere der Gerichte, dieses Mitgliedstaats, sich um eine Auslegung des nationalen Rechts zu bemühen, die im Einklang mit dieser Ergebnispflicht steht und die Erhebung dieses Ausgleichs bei dem Verkäufer gewährleistet, der zur Einfuhr dieser Träger dadurch beigetragen hat, dass er sie den Endnutzern zur Verfügung stellt.
In diesem Zusammenhang ist es ohne Einfluss auf diese Verpflichtung dieses Mitgliedstaats, dass bei Versandkäufen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen der gewerbliche Verkäufer, der den im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats ansässigen Käufern als Endnutzern Anlagen, Geräte oder Medien zur Vervielfältigung zur Verfügung stellt, in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist.
HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
Urteil in der Rechtssache C-462/09
Stichting de Thuiskopie / Opus Supplies Deutschland GmbH, M. van der
Lee, H. van der Lee
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