Eine Sicherungskopie einer Software darf nicht an einen Dritten weiterverkauft werden…
Der europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 12.10.2016 entschieden, dass eine Sicherungskopie nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers weiterverkauft werden darf, auch wenn der Originaldatenträger beschädigt wurde oder abhanden gekommen ist.
Nach der Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14. Mai 1991 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. 1991, L 122, S. 42) darf durch den zur Nutzung des Programms Berechtigten zwar grundsätzlich eine Sicherungskopie eines Computerprogramms erstellt werden, wenn eine solche Kopie für die Benutzung erforderlich ist. Auch sind vertragliche Bestimmungen der Rechteinhaber, welche die Erstellung einer Sicherungskopie verbieten, unwirksam, sofern die vorgenannten Voraussetzungen vorliegen. Allerdings ist diese Regelung der Richtlinie nach der Ansicht des EuGH eng auszulegen.
Im Ergebnis führt dies dazu, dass eine Sicherungskopie eines Computerprogramms nur für den Bedarf der zur Benutzung dieses Programms berechtigten Person erstellt und benutzt werden darf. Ein Weiterverkauf der Sicherungskopie ist – auch im Falle einer Beschädigung oder eines Verlustes des körperlichen Originaldatenträgers des Programms – nach der geltenden Rechtslage nicht ohne Zustimmung des Rechteinhabers möglich.
Die Pressemitteilung des europäischen Gerichtshofes vom 12.10.2016 im Volltext:
Der Ersterwerber einer mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung verbundenen Kopie eines Computerprogramms kann die benutzte Kopie und seine Lizenz an einen Zweiterwerber weiterverkaufen
Ist der körperliche Originaldatenträger der ursprünglich gelieferten Kopie beschädigt oder zerstört worden oder verloren gegangen, darf der Ersterwerber hingegen seine Sicherungskopie des Programms dem Zweiterwerber nicht ohne Zustimmung des Urheberrechtsinhabers übergeben
In Lettland werden Herr Aleksandrs Ranks und Herr Jurijs Vasi?evi?s unter anderem wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung zum widerrechtlichen Verkauf urheberrechtlich geschützter Gegenstände und der vorsätzlichen widerrechtlichen Benutzung einer fremden Marke strafrechtlich verfolgt. Sie sollen im Jahr 2004 auf einem Online-Marktplatz Sicherungskopien verschiedener von Microsoft herausgegebener, urheberrechtlich geschützter Computerprogramme (darunter Versionen des Programms Microsoft Windows und des Microsoft-Office-Pakets) verkauft haben. Die Zahl der von ihnen verkauften Exemplare wird auf mehr als 3 000 geschätzt, und der Microsoft durch ihre Tätigkeiten entstandene Vermögensschaden soll 265 514 Euro betragen.
In diesem Zusammenhang fragt das mit der Rechtssache befasste R?gas apgabaltiesas Krimin?llietu tiesu kol??ija (Regionalgericht Riga, Strafkammer, Lettland) den Gerichtshof, ob das Unionsrecht dahin auszulegen ist, dass der Erwerber der auf einem körperlichen Datenträger, der nicht der Originaldatenträger ist, gespeicherten Sicherungskopie eines Computerprogramms nach der in einer Richtlinie der Union vorgesehenen Regel der Erschöpfung des Verbreitungsrechts1 eine solche Kopie weiterverkaufen kann, wenn der dem Ersterwerber gelieferte körperliche Originaldatenträger des Programms beschädigt wurde und der Ersterwerber sein Exemplar der Kopie gelöscht hat oder es nicht mehr verwendet.
In seinem heutigen Urteil führt der Gerichtshof aus, dass nach der Regel der Erschöpfung des Verbreitungsrechts der Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm (im vorliegenden Fall Microsoft), der in der Union die mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung verbundene Kopie dieses Programms auf einem körperlichen Datenträger (wie einer CD-ROM oder einer DVD-ROM) verkauft hat, späteren Weiterverkäufen dieser Kopie durch den Ersterwerber oder anschließende Erwerber nicht mehr widersprechen kann, ungeachtet vertraglicher Bestimmungen, die jede Weiterveräußerung verbieten.
Die Vorlagefrage bezieht sich allerdings auf den Fall des Weiterverkaufs einer auf einem körperlichen Datenträger, der nicht der Originaldatenträger ist, gespeicherten benutzten Kopie eines Computerprogramms („Sicherungskopie“) durch eine Person, die die Kopie vom Ersterwerber oder von einem späteren Erwerber erworben hat.
Der Gerichtshof stellt fest, dass die Richtlinie dem Inhaber des Urheberrechts an einem Computerprogramm – vorbehaltlich der in der Richtlinie enthaltenen speziellen Ausnahmen – das ausschließliche Recht einräumt, die dauerhafte oder vorübergehende Vervielfältigung, ganz oder teilweise, des Programms mit jedem Mittel und in jeder Form vorzunehmen und zu gestatten. Der rechtmäßige Erwerber der durch den Rechtsinhaber oder mit dessen Zustimmung in den Verkehr gebrachten Kopie eines Computerprogramms darf diese Kopie folglich gebraucht weiterverkaufen, sofern ein solcher Verkauf nicht das dem Rechtsinhaber zustehende ausschließliche Vervielfältigungsrecht beeinträchtigt und jede Vervielfältigung des Programms vom Rechtsinhaber gestattet wird oder unter die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen fällt.
Insoweit weist der Gerichtshof darauf hin, dass nach der Richtlinie die Erstellung einer Sicherungskopie durch eine Person, die zur Benutzung eines Computerprogramms berechtigt ist, nicht vertraglich untersagt werden darf, wenn eine solche Kopie für die Benutzung erforderlich ist. Vertragliche Bestimmungen, die im Widerspruch dazu stehen, sind unwirksam.
Die Erstellung einer Sicherungskopie eines Computerprogramms ist somit an zwei Bedingungen geknüpft. Sie muss zum einen von einer Person erstellt werden, die zur Benutzung dieses Programms berechtigt ist, und zum anderen für die Benutzung erforderlich sein.
Diese Bestimmung, die eine Ausnahme vom ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Inhabers des Urheberrechts an einem Computerprogramm vorsieht, ist eng auszulegen.
Daraus folgt, dass eine Sicherungskopie eines Computerprogramms nur für den Bedarf der zur Benutzung dieses Programms berechtigten Person erstellt und benutzt werden darf, so dass die betreffende Person diese Kopie, auch wenn sie den körperlichen Originaldatenträger des Programms beschädigt, zerstört oder verloren hat, nicht zum Zweck des Weiterverkaufs des gebrauchten Programms an einen Dritten verwenden darf.
Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Ersterwerber der mit einer Lizenz zur unbefristeten Nutzung verbundenen Kopie eines Computerprogramms zwar berechtigt ist, die benutzte Kopie und seine Lizenz an einen Zweiterwerber zu verkaufen, doch darf er, wenn der körperliche Originaldatenträger der ihm ursprünglich gelieferten Kopie beschädigt oder zerstört wurde oder verloren gegangen ist, seine Sicherungskopie dieses Programms dem Zweiterwerber nicht ohne Zustimmung des Rechtsinhabers übergeben.
HINWEIS: Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.
Urteil in der Rechtssache C-166/15
Aleksandrs Ranks und Jurijs Vasi?evi?s
Das Urteil im Volltext finden Sie ab der Veröffentlichung hier.
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