BGH: Ist auf Softwareerstellungsverträge Kaufrecht anwendbar?
Der BGH hat mit Urteil vom 23.07.2009 (Az: VII ZR 151/08) entschieden, dass auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen Kaufrecht anzuwenden ist. Dies gelte auch für Verträge im unternehmerischen Verkehr. Der BGH sieht darüber hinaus Software als bewegliche Sache an (vgl. Urteil des BGH vom 15.11.2006; Az: XII ZR 120/04). Die vorliegende Entscheidung könnte daher auch Auswirkungen auf Erstellungsverträge für Individualsoftware haben.
Bisherige Ansicht…
Bisher war es herrschende Ansicht, dass auf Verträge zur Erstellung von Individualsoftware Werkvertragsrecht anwendbar ist, unter anderem mit der Folge, dass eine Abnahme der Software durch den Auftraggeber notwendig war. Erfolgte eine Abnahme rechtmäßiger Weise nicht, konnte der Auftragnehmer keinen vollen Vergütungs-anspruch geltend machen. Darüber hinaus fing die Verjährungsfrist für Gewährleistungsrechte erst mit der Abnahme der Software an zu laufen.
Konsequenzen des BGH-Urteils…
Vor dem Hintergrund des Urteils des BGH bestehen erhebliche rechtliche Unsicherheiten dahingehend, ob auf Erstellungsverträge für Individualsoftware noch Werkvertragsrecht anwendbar ist. Beispielsweise könnte eine vertragliche Abnahme-Regelung – sofern AGB-Recht anwendbar ist – unwirksam sein, da sie mit wesentlichen Grundgedanken des § 651 BGB nicht zu vereinbaren ist (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). An die Stelle der Abnahme der Software durch den Auftraggeber tritt dann vielmehr die Ablieferung der Software des Auftragnehmers an den Auftraggeber. Dies würde bedeuten, dass mit der Lieferung der Software der volle Vergütungsanspruch des Auftragnehmers fällig wäre und eine Abnahme nicht mehr erforderlich wäre. Allerdings hätte der Auftragnehmer auf der anderen Seite keinen gesetzlichen Anspruch auf Abschlagszahlungen für erbrachte Teilleistungen mehr. Darüber hinaus beginnt im Kaufrecht mit der Ablieferung auch die Verjährung für Gewährleistungsansprüche des Auftraggebers. Zudem besteht im Kaufrecht im geschäftlichen Verkehr eine unverzügliche Untersuchungs- und Rügepflicht des Käufers (vgl. § 377 HGB). Wird also die Software vom Auftraggeber nach der Ablieferung nicht unverzüglich auf Fehler getestet und entsprechend gerügt, könnten schlimmstenfalls die Gewährleistungsrechte des Auftraggebers wegen Verletzung der Untersuchungs- und Rügepflicht erlöschen.
Leitsätze des BGH…
a) Kaufrecht ist auf sämtliche Verträge mit einer Verpflichtung zur Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen anzuwenden, also auch auf Verträge zwischen Unternehmern.
b) Verträge, die allein die Lieferung von herzustellenden beweglichen Bau- oder Anlagenteilen zum Gegenstand haben, sind nach Maßgabe des § 651 BGB nach Kaufrecht zu beurteilen. Die Zweckbestimmung der Teile, in Bauwerke eingebaut zu werden, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
c) Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn Gegenstand des Vertrages auch Planungsleistungen sind, die der Herstellung der Bau- und Anlagenteile vorauszugehen haben und nicht den Schwerpunkt des Vertrages bilden.
Fazit: Nach dem vorliegenden Urteil des BGH könnte auch für die Neuerstellung von Individualsoftware im wesentlichen Kaufrecht gelten. Dies jedenfalls dann, wenn nicht die Planungsleistungen den Schwerpunkt des Vertrages bilden, was bei der Erstellung von Individualsoftware freilich häufig der Fall sein wird. Letztlich ist es dennoch stets eine Frage des konkreten Einzelfalles, wo der Schwerpunkt des Vertrages liegt.
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