Die Zeitungswerbung eines Elektrogroßmarktes “ohne 19 % Mehrwertsteuer”, die nur für einen einzigen und mit dem Erscheinen der Werbung gleichen Tag gilt, ist wettbewerbswidrig…
…weil sie i. S. d. § 4 Nr. 1 UWG geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit unangemessen unsachlich zu beeinflussen, da sie einen erheblichen Teil von Adressaten der Wahrnehmung von Vergleichsmöglichkeiten für Preis- und/oder Qualität beraubt.Die Revision wurde zugelassen.
Tenor
I. Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 33. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 28. September 2007 (AZ.: 33 O 68/07 KfH) werden
z u r ü c k g e w i e s e n .
II. Von den Kosten des Rechtsstreites erster Instanz tragen die Klägerin 1/4 und die Beklagten je 1/4. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jeder Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus dem Unterlassungsanspruch durch Sicherheitsleistung in Höhe von 75.000,- EUR und diejenige aus dem Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 vom Hundert des gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leitstet, welche bei einer Vollstreckung aus dem Unterlassungsanspruch 75.000,- EUR und bei einer solchen aus dem Kostenpunkt 120 vom Hundert des beizutreibenden Betrages beträgt.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung jeder Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 vom Hundert des gegen sie durch jene vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 vom Hundert des beizutreibenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000,- EUR.
I. Tatbestand
Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat vorab nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Vorsitzenden der 33. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 28. September 2007 (GA 55/65 ) Bezug.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und hierzu ausgeführt:
Mit ihrem Antrag vom 03. September 2007 habe die Klägerin die Klage nicht teilweise zurückgenommen, sondern lediglich ihr bereits anfänglich eindeutiges Klagebegehren klargestellt.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch stehe der klagebefugten Klägerin zu, weil die beanstandete Werbung unlauter im Sinne der §§ 3, 4 Nr.1 UWG sei. Die vom Landgericht auf LGU 7/8 näher dargelegten, nach Wegfall des Rabattgesetzes in Bezug auf Werbung mit Preisnachlässen strengeren Voraussetzungen für die Anwendung dieser Vorschrift lägen vor. Die Rabattaktion sei ohne zwingenden Grund zeitlich stark begrenzt gewesen. Deshalb sei dem Verbraucher nicht die erforderliche Zeit geblieben, das Angebot zu prüfen und Vergleichsangebote einzuholen. Das Zusammenwirken der Ermäßigung durch einen ungewöhnlichen Preisnachlass von 19% auf die beworbenen Warengruppen und der zeitlichen Befristung führe vorliegend zur Wettbewerbswidrigkeit, wobei die Kaufentscheidung auch durch eine gewisse Intransparenz beeinflusst werde, die ihrerseits gerade Folge des bewusst angestrebten oder in Kauf genommenen unnötigen Zeitdruckes sei. Dem Käufer, der ein entsprechendes Produkt suche, erscheine das beworbene Angebot als besonders günstig, und er nehme an, ein solches Angebot kehre nicht so schnell wieder, weil es von einem Discounter stamme, welcher schon regelmäßig mit Tiefstpreisen für sein Warenangebot werbe. Ein Verbraucher, der während des Tages von diesem Angebot erfahre, müsse sich, ohne sich vorher ausreichend informieren zu können, in das Geschäftslokal der Beklagten begeben und sei dann schon rein zeitlich nicht mehr in der Lage, sich anderweitig zu informieren. Einem Berufstätigen blieben um das an einem einzigen Werktag geltende Angebot wahrnehmen zu können, nach Dienstschluss weniger als sechs Stunden Zeit. Auf nicht Berufstätige oder Personen, die an diesem Tag Urlaub hätten, sei nicht abzustellen, da sich die Werbung auch an berufstätige Verbraucher richte. Weder telefonisch noch über das Internet könne sich der berufstätige Verbraucher rechtzeitig über Vergleichsangebote informieren. Discounter seien telefonisch häufig nicht erreichbar und eine Internetrecherche am Arbeitsplatz sei vielen Berufstätigen nicht gestattet. Außerdem gebe das Internetangebot (K 13) keinen zureichenden Aufschluss. Im Zusammenspiel mit der fehlenden vorherigen Ankündigung sei das Angebot in seiner Kombination aus Anlockwirkung und Zeitdruck geeignet, den Verbraucher zu veranlassen, trotz der in der Regel erforderlichen weiteren Informationen einen der beworbenen Artikel quasi blind zu kaufen. Diese Werbung sei geeignet, den Markt nicht nur unerheblich zu beeinflussen, was bei einer unangemessenen, unsachlichen Einflussnahme im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG stets zu bejahen sei.
Ein Fall des § 4 Nr. 3 UWG liege nicht vor.
Der Hinweis der Klägerin auf § 5 Abs. 4 UWG verkenne den Umfang der diesem Hauptsacheverfahren vorangegangenen einstweiligen Verfügung. Auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast nach § 5 Abs. 4 S. 2 UWG müsse nicht näher eingegangen werden.
Die Beklagten haben gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und ihre Rechtsmittel prozessordnungsgemäß begründet.
Sie bringen vor:
Das Landgericht habe den Prozessstoff nur unzureichend ausgeschöpft und das Recht fehlerhaft angewendet.
Bereits in der Klageerwiderung (S. 4) hätten die sämtlich in Stuttgart ansässigen Beklagten vorgetragen, dass es in dieser Stadt eine ausreichende Anzahl an Elektrofachgeschäften gebe, in denen sich der Verbraucher ohne großen Zeitaufwand über die Marktlage informieren könne; die Klägerin habe dies erstinstanzlich eingeräumt. Der Verbraucher könne in unmittelbarer Umgebung der Ladenlokale der Beklagten ausgiebige Produktvergleiche durchführen und daher seine Kaufentscheidung informiert treffen. Dies werde durch das nunmehr vorgelegte Anlagenkonvolut B 1 (Auszug aus dem Branchenverzeichnis www.meinestadt. de) belegt.
Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot richte sich auch gegen die Online-Werbung der Beklagten. Zumindest der Teil der Verbraucher, der diese Werbung wahrgenommen habe, könne sich über das Internet auch informieren. Es sei verfehlt, von rechtlichen Bedenken privater Internetnutzung am Arbeitsplatz auf tatsächliche Informationsschwierigkeiten zu schließen, da eine Vielzahl von Arbeitnehmern einen Internetanschluss am Arbeitsplatz auch privat nutze (B 2).
Der landgerichtliche Urteilsgrund, der Internetauftritt der Beklagten lasse kaum Detailpreise erkennen und erlaube deshalb keinen sinnvollen Vergleich, treffe nicht zu. Bereits mit Schriftsatz vom 21.08.2007, S. 8, hätten die Beklagten vorgetragen, der Kunde könne sich über das Internetangebot der Beklagten und dasjenige anderer Anbieter kundig machen. Er habe daher die Möglichkeit, sich bereits vor einem Besuch im Ladenlokal der Beklagten ausreichend zu informieren.
Rechtsfehlerhaft sehe das Landgericht die eintägige Rabattaktion als unsachliches Anlocken und damit als unlauter an. Zwar träfen seine Ausgangsüberlegungen zu. Die Wertung unterlaufe jedoch die vom Gesetzgeber gewollte Liberalisierung der Werbung. Dahinstehen könne, ob nach neuer Rechtslage durch einen Rabatt überhaupt noch ein unlauteres Anlocken erfolgen könne. Denn das Landgericht hätte nicht auf einen von ihm für unsachlich erachteten Zeitdruck abstellen dürfen. Der Gesetzgeber habe nach dem ersatzlosen Wegfall des Sonderveranstaltungsverbotes zur Sicherstellung der Rationalität der Kaufentscheidung des Verbrauchers bei Werbung mit Preisnachlässen § 5 Abs. 4 UWG für ausreichend gehalten (BTDrs. 15/1487, S, 14). Bewusst habe er davon abgesehen, Rabattaktionen zeitlich zu beschränken. Unter Berücksichtigung des neuen Verbraucherleitbildes bedürfe es solcher Beschränkungen auch nicht mehr. Es sei nämlich davon auszugehen, dass der Verbraucher auch innerhalb eines begrenzten Zeitraumes in der Lage sei, die Vor- und Nachteile abwägend seine Entscheidung zu treffen (vgl. BGH, GRUR 2004, 324, 325 – ). Dies belegten die Anlagen K 6 und K 8. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die beanstandete Werbung ausschließlich Alltagsgegenstände betroffen habe, bezüglich derer der Verbraucher den Markt in groben Zügen ohnehin kenne.
Auch nach den vom Landgericht zitierten Fundstellen setze ein übertriebenes Anlocken notwendig, aber nicht hinreichend voraus, dass sich der Rabatt auf eine sehr kurze Zeitspanne beschränke und der Verbraucher deshalb gar keine Möglichkeit habe, sich über Vergleichsangebote zu informieren (Seichter, WRP 2006, 628, 631). Die vom Landgericht zu Grunde gelegten Entscheidungen beträfen Sonntagverkäufe; außerdem sei eine Werbung für Einbauküchen grundsätzlich anders zu bewerten als die beanstandete Werbung für Alltagsgegenstände. Die Klägerin selbst trage (wenn auch inhaltlich falsch) vor, der Verbraucher suche den Vergleich gar nicht, weil er befürchte, andere könnten die angebotene Ware wegkaufen. Dann aber komme es auf Vergleichsmöglichleiten gar nicht an. Ohnehin habe gerade der berufstätige Verbraucher kein Interesse, seine knappe Zeit auf der Suche nach Schnäppchen für Preisvergleiche zu verwenden.
Zum Zahlungsanspruch habe das Landgericht verkannt, dass jeglicher Klagevortrag fehle.
Die Berufungsklägerinnen beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil:
Die beanstandete Werbung richte sich – abgesehen von derjenigen für CDs und DVDs -, da für hochpreisige Artikel, typischerweise an Berufstätige. Diesen verblieben nach ihrem Arbeitsschluss höchstens zwei Stunden zum Einkauf. Dies erlaube keinen Preisvergleich mehr. Das Anlagenkonvolut B 1 belege keine Vergleichsmöglichkeiten. In der Innenstadt von S. sei als einziger Vollsortimenter neben dem M.-Markt, der zur gleichen Gruppe gehörende S.-Markt vorhanden. Vergleichbare Märkte fänden sich nur im Umland von S. Die Beklagte Ziffer 1 habe ihren Sitz in F., die Beklagte Ziffer 2 in S.–V. Dass dort dem Verbraucher nach 18 Uhr eine Vergleichsmöglichkeit offen stehe, sei nicht ersichtlich. Nichts anderes gelte bezüglich der Beklagten Ziffer 3. Wie die Anlage K 16 belege, seien die meisten in der Anlage B 1 aufgeführten Unternehmen Handwerksbetriebe und unbekannt; diese Anlage sei daher untauglich, eine Vergleichsmöglichkeit darzulegen. Den Berufungsklägerinnen hätte es oblegen, genau vorzutragen, bei welchem Unternehmen der Kunde sich hätte informieren können. Aus der vorgelegten Liste komme einzig eine Firma Mö. in Betracht, die jedoch nur Waschmaschinen führe, nicht hingegen die anderen beworbenen Artikel. Darüber hinaus sei das Geschäft der Firma Mö. nicht fußläufig zu den Beklagten erreichbar. Die (substantiiert dargelegte) Entfernung schließe eine adäquate Vergleichsmöglichkeit unter dem gegebenen Zeitdruck aus.
Es sei senatsbekannt (vgl. OLG Stuttgart, WRP 2007, 1115), dass die Beklagte ihren angeblichen Rabatt von 19% nur auf im Laden vorrätige Waren gewähre. Der Kunde müsse sich daher zunächst im Laden informieren, welche Waren überhaupt vorhanden seien; danach sei es ihm nicht mehr möglich, rechtzeitig Vergleichsangebote zu ermitteln. Da er die Unmöglichkeit solchen Vorhabens erkenne, werde er es gar nicht versuchen. Verstärkt werde der Druck durch den Hinweis des Verkäufers, dass der Rabatt nur auf vorhandene Ware gegeben werde, so dass die Gefahr hinzutrete, dass ein anderer Kunde schneller zugreife.
Eine Internet-Recherche helfe dem Verbraucher nicht. Er wisse vor einem Besuch im Ladenlokal der Beklagten gar nicht, auf welche Ware und welchen Verkaufspreis sich das Angebot der Beklagten erstrecke. Irreführend sei der Hinweis auf die Internetwerbung der Beklagten. Eine solche gebe es nicht, sondern nur eine Internetwerbung der M.-Markt-Gruppe. Auch diese (K. 13) gebe dem Verbraucher keinen Aufschluss darüber, was er in welchem Markt zu welchem Preis kaufen könne.
Eintägige Rabattaktionen würden allgemein als unzulässig angesehen (OLG Hamm, GRUR 2006, 86; OLG Dresden, WRP 2006, 283 mit Nichtzulassungsbeschluss des Bundesgerichtshofs ).
Zwar handele es sich bei den beworbenen Waren um Gegenstände des alltäglichen Gebrauches. Jedoch seien es teuere Gegenstände, die nicht alltäglich gekauft würden. Außerdem sei die beanstandete Werbung darauf ausgerichtet, einen Kaufwunsch durch den außergewöhnlich hohen Rabatt erst herbeizuführen. Verbraucher, die noch keinen Kaufentschluss gefasst gehabt hätten, hätten auch keinen Überblick über den Markt.
Aus § 5 Abs. 4 UWG könnten die Beklagten nichts für sich herleiten. Diese Vorschrift habe einen abweichenden Regelungsgehalt (Preistransparenz). Die von Ihnen zitierte Bundestagsdrucksache befasse sich denn auch nicht mit der hier zu entscheidenden Frage.
Die Verbraucher hätten allen Grund, den Angaben der Beklagten zu misstrauen, nachdem in einem Verfahren vor dem OLG Karlsruhe (WRP 2007, 819 – K 10) nachgewiesen worden sei, dass die dortige Beklagte ihren angeblichen Rabatt im Zuge der gleich gelagerten Vorjahresaktion mit falschem Ausgangspreis hinterlegt gehabt habe.
Die Werbung der Beklagten sei auch irreführend im Sinne des § 5 UWG. Eine vorangegangene einstweilige Verfügung beschränke die Klägerin nicht, den Streitstoff eines Hauptsacheverfahrens zu bestimmen. Durch das genannte Urteil des OLG Karlsruhe und die Anlagen K 6 bis K 9 sei dargetan, dass in der M.-Markt-Gruppe der Normalpreis nicht über einen hinreichend langen Zeitraum verlangt worden sei. Das Gegenteil nachzuweisen, habe nach § 5 Abs. 4 S. 2 UWG den Beklagten oblegen.
Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ergebe sich aus der unstreitigen Abmahnung K 19, auf welche die Beklagten durch das Schreiben K 20 hätten antworten lassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 13. März 2008 (GA 153/154) Bezug genommen.
II. Entscheidungsgründe
Die zulässigen Berufungen sind in der Sache unbegründet.
1. Auf der Grundlage seiner verfahrensfehlerfreien Feststellungen hat das Landgericht in der beanstandeten Werbung zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat Bezug nimmt, um Wiederholungen zu vermeiden, eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne der §§ 3, 4 Nr. 1 UWG gesehen. Die dagegen geführten Berufungsangriffe der Beklagten vermögen das landgerichtliche Urteil auch unter Berücksichtigung des der Entscheidung zugrunde zu legenden neuen Parteivortrages nicht zu erschüttern: Die Berufungsangriffe beziehen sich jeweils auf einzelne Aspekte der beanstandeten Werbung und drängen so deren Gesamteindruck, auf den entscheidend abzustellen ist (vgl. Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. , § 4 Rn. 1/56), aus dem Blickfeld. Sie sind aber schon für sich genommen unberechtigt.
a)Unlauter im Sinne von § 3 UWG handelt nach § 4 Nr. 1 UWG insbesondere, wer Wettbewerbshandlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen. Preisbezogene Sonderverkaufsveranstaltungen sind nach dem Wegfall des Rabattgesetzes grundsätzlich zulässig (vgl. BT-Drs. 15/1487, S. 12). Der Unternehmer ist also nunmehr grundsätzlich frei, die Preise seiner Waren zu bestimmen. Er darf sie allgemein oder individuell – auch für befristete Zeiträume und für bestimmte Personen oder Personengruppen – senken oder erhöhen, ohne an einen Markt- oder Durchschnittspreis oder an den von ihm selbst angekündigten Preis gebunden zu sein. Gleichwohl kann in begrenzten Einzelfällen von bestimmten Vergünstigungen eine solche Anziehungskraft ausgehen, dass der Verbraucher davon abgehalten wird, sich mit dem Angebot der Mitbewerber zu befassen. Dies kann freilich nur angenommen werden, wenn auch bei einem verständigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalität der Nachfrageentscheidung in den Hintergrund tritt. Dahinstehen kann, ob ein solcher Fall gegeben ist, wenn allein mit der Ankündigung eines außergewöhnlichen Preisnachlasses geworben wird (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. , Rn. 1.95 zu § 4 UWG u. H. auf BGH, GRUR 2002, 287, 288 – ; BGH, GRUR 2003, 1057 – ; Berlit, WRP 2001, 349, 352; Cordes, WRP 2001, 867, 874; a.A. Piper/Ohly, UWG, 4. Aufl. , § 4 Rn. 1/83 ff.,1/87 für den „übertrieben hohen Rabatt“), da angesichts der mittlerweile – beispielweise im Küchen-, im Bekleidungs- und im Teppichhandel – weit verbreiteten Preisnachlässe von 50%-70% bei einem Abschlag von – wie hier – 19% auch in anderen Branchen regelmäßig und namentlich im Elektronikbereich noch nicht von einem übertrieben hohen Rabatt gesprochen werden kann (vgl. Heermann, WRP 2001, 855, 861; OLG Frankfurt, GRUR 2002, 460; OLG Celle, GRUR-RR 2002, 336; GRUR-RR 2005, 388, 391).
Andererseits kann eine sehr kurze zeitliche Befristung einer Rabattaktion unter bestimmten Umständen („Überrumpelungsgefahr“) deren Unlauterkeit begründen (vgl. Seichter, WRP 2006, 628, 631), nämlich dann, wenn für die Befristung kein zwingender Grund vorliegt, von der Aktion aber eine erhebliche Anlockwirkung ausgeht und der Verbraucher vor der Nachfrageentscheidung keine ausreichende und zumutbare Möglichkeit eines Preisvergleichs hat (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm-Köhler, a.a.O., Rn. 1.95 zu § 4 UWG; zur taggenauen Werbung für einen Sonntagsverkauf u.H. auf BGH, WRP 2002, 1105; OLG Frankfurt, GRUR-RR 2001, 222; OLG Hamm, GRUR 2006, 86, 87; OLG Dresden, WRP 2006, 283; LG Essen, WRP 2005, 763; Köhler, GRUR 2001, 1067, 1074).
Ist eine Werbung nach diesen Grundsätzen unlauter, so kann dem auch nicht § 5 Abs. 4 UWG entgegen gehalten werden. In § 5 Abs. 4 UWG wird eine Wettbewerbshandlung unter dem Gesichtspunkt der Irreführung bewertet. § 4 Abs. 1 UWG hingegen ist von einer Irreführung unabhängig. Ein die jeweils andere Norm ausschließendes Spezialitätsverhältnis besteht zwischen diesen im Gesetz aufgeführten Ausprägungen der Unlauterkeit im Sinne des § 3 UWG nicht.
b) Das Landgericht hat die beanstandete Werbung an diesem Maßstab gemessen und zu Recht als unlauter im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG angesehen.
aa) Der Senat kann den Aussagegehalt und die Wirkung der umstrittenen Werbung auf den Adressaten, den Verbraucher, aus eigener Kenntnis beurteilen, da seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören.
bb) Auch unter Berücksichtigung des neuen Verbraucherleitbildes bedarf der Verbraucher eines ausreichenden Zeitraumes, um sich über ein ihm unterbreitetes Angebot informieren zu können. Innerhalb eines angemessen begrenzten Zeitraumes wird er in der Lage sein, die Vor- und Nachteile abwägend seine Entscheidung zu treffen (vgl. BGH, GRUR 2004, 324, 325 – ). Ob der zur Verfügung stehende Zeitraum angemessen ist, bestimmt sich aus den Gegebenheiten des Einzelfalles, wobei der Art der beworbenen Ware und dem Kaufpreis eine gewichtige Rolle zukommt. Je seltener er derartige Gegenstände kauft und je höher der Kaufpreis, desto größer ist der Zeitraum, dessen der Verbraucher bedarf.
cc) Unter den Umständen des Streitfalles stand dem Verbraucher die Zeit nicht zur Verfügung, derer er bedurfte, um die Vor- und Nachteile einer Kaufentscheidung abzuwägen.
aaa) Unstreitig umfasste die beanstandete Werbung auch Elektrogroßgeräte, deren Kaufpreis sich im drei- wenn nicht gar vierstelligen Bereich bewegte. Für einen beachtlichen Teil der angesprochenen Verbraucher überschreitet ein solcher Betrag den nach Abzug der Fixkosten monatlich frei verfügbaren Teil ihres Einkommens. Für diese Verbraucher ist es unabdingbar, aber auch aus Sicht finanziell besser Gestellter sinnvoll und in beiden Gruppen üblich, vor einer solchen Anschaffung mehrere Vergleichsangebote einzusehen.
Neben dem Preisvergleich hat der Verbraucher auch ein Interesse daran, die beworbene Ware in technischer Hinsicht mit anderen Produkten zu vergleichen.
bbb) Beides war ihm angesichts der ohne sachlichen Grund erfolgten extremen Befristung des Rabattangebotes nicht sachgerecht möglich.
(1) Ein Zeitraum von wenigen Abendstunden, wie er Berufstätigen nur zur Verfügung stand, reicht hierzu bei Elektrogroßgeräten regelmäßig nicht aus.
(2) Schief ist in diesem Zusammenhang der Vortrag der Berufungsklägerinnen, erstinstanzlich sei zugestanden gewesen, dass es in Stuttgart eine ausreichende Anzahl an Elektrofachgeschäften gebe, in denen der Verbraucher ohne großen Zeitaufwand in unmittelbarer Umgebung der Ladenlokale der Beklagten ausgiebige Produktvergleiche durchführen könne. Denn erst im zweiten Rechtszug haben die Berufungsklägerinnen (durch das Anlagenkonvolut B 1, eine Aufstellung mit Firmennamen) diesbezüglich verwertbar vorgetragen. Die darin enthaltene Behauptung, diese Firmen böten dem Verbraucher Vergleichsmöglichkeiten, hat die Berufungsbeklagte substantiiert bestritten. Aufgrund dieses Bestreitens ist das neue Vorbringen der Berufungsklägerinnen schon nach §§ 529 Abs. 1, 531 ZPO unbeachtlich. Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, dass sie ihrerseits nicht substantiiert dargelegt haben, welche der in dem Anlagenkonvolut genannten Firmen bezüglich welcher Warengruppen dem Verbraucher eine Vergleichsmöglichkeit geboten hätten und inwieweit die Ladenlokale dieser ihrer Konkurrenten für den Verbraucher erreichbar waren.
(3) Soweit mit der Berufungsreplik in den Raum gestellt wird, der Verbraucher sei möglicherweise an einem Vergleichsangebot gar nicht mehr interessiert, ist dem – wie bereits ausgeführt – nicht zu folgen.
Die Berufungsklägerinnen wähnen dies – unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Berufungsbeklagten – angesichts des Rabattes von 19% und der Gefahr, dass andere Interessenten die vorhandene Ware „wegkauften“. Im zweiten Rechtszug hat die Berufungsbeklagte vorgebracht, es sei senatsbekannt, dass die Beklagten den beworbenen Rabatt nur auf vorrätige Ware gegeben hätten. Diese Beschränkung haben die Berufungsklägerinnen nicht bestritten. Auf diesen Umstand kommt es aber gar nicht an. Denn er könnte den Verbraucher nur beeinflussen, wenn er ihm bekannt wäre. Dazu ist aber nichts vorgetragen. Hätte man jedoch von einer solchen Wirkung der Werbung auszugehen, so begründete auch diese den Vorwurf der Unlauterkeit. Denn der Verbraucher ließe dann die von ihm üblicherweise und in seinem wohlverstandenen eigenen Interesse vor seiner Kaufentscheidung geübte Sorgfalt außer Acht, worin zum Ausdruck käme, dass die Werbeaktion ihn seiner Kritikfähigkeit gegenüber dem Angebot der Beklagten beraubt hätte. Damit aber wäre ein unangemessenes, wettbewerbswidriges Anlocken gleichfalls gegeben.
(4) Dass die beanstandete Werbung ausschließlich Gegenstände betroffen habe, bezüglich derer der Verbraucher den Markt in groben Zügen ohnehin kenne, kann nicht angenommen werden. Zu Recht weist die Berufungsbeklagte darauf hin, dass die Werbung der Berufungsklägerinnen mit einem Rabatt von immerhin fast einem Fünftel auf – wie dem Senat bekannt ist – ohnehin seit Jahren kampagnenartig als Tiefstpreise beworbene Preise („saubillig“, „Mutter aller Schnäppchen“ etc.) auch darauf abzielte, beim angesprochenen Verbraucher einen Kaufwunsch erst zu wecken oder einen latenten Kaufwunsch in einen Kaufentschluss zu verwandeln. Bei solchermaßen Beeinflussten kann nicht unterstellt werden, dass sie den Markt zuvor beobachtet hätten und deshalb kennten. Allenfalls bei der kleinen Gruppe der ohnehin schon Kaufentschlossenen, bei denen nur noch offen war, wo sie die ausgewählte Ware kaufen würden, könnte das Argument der Berufungsklägerinnen greifen. Auf sie ist aber bei der Unlauterkeitsbetrachtung nicht abzustellen.
(5) Das vom Landgericht ausgesprochene Verbot richtet sich auch gegen die Online-Werbung der Beklagten. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, zumindest der Teil der Verbraucher, der diese Werbung wahrgenommen habe, könne sich über das Internet auch informieren. Zum einen hat das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wie diese Werbung im Internet verbreitet wurde. War sie nur auf der Internetseite der Beklagten (bzw. der M.-Markt-Gruppe) zu finden, führte dies zu einer anderen (den Berufungsklägerinnen günstigeren) Einschätzung, als wenn sie auch beim Aufruf anderer Seiten auf eingespielten Werbefahnen zu sehen war.
Gänzlich außer Betracht bleibt jedoch bei der Argumentation der Berufungsklägerinnen zu diesem Teil des Streitgegenstandes, dass der Verbraucher die beanstandete Werbung innerhalb weniger Sekunden wahrnehmen konnte, für eigene Vergleichsrecherchen jedoch wesentlich längere Zeit benötigte. Umso mehr, da er erst ermitteln musste, auf welche Produkte genau sich die Werbung bezog.
(6) Entgegen der Rechtsauffassung der Berufungsklägerinnen ist es nicht verfehlt, sondern geboten, von rechtlichen Bedenken privater Internetnutzung am Arbeitsplatz auf tatsächliche Informationsschwierigkeiten zu schließen. Dass eine Vielzahl von Arbeitnehmern einen Internetanschluss am Arbeitsplatz auch privat nutze, ist rechtlich unerheblich. Zum einen steht einer großen Zahl von Verbrauchern schon gar kein Internetanschluss zur Verfügung, einem weiteren Teil nicht am Arbeitsplatz, und zum anderen kann weder dem Verbraucher ein arbeitsvertrags- und damit rechtswidriges Verhalten angesonnen werden, um sich aus der durch die Werbung geschaffenen Drucksituation zu befreien, noch kann – wie es die Berufungsklägerinnen versuchen – einem (nicht näher bezeichneten) großen Teil der Arbeitnehmer ein solches Verhalten unterstellt werden.
Deshalb kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Kunde sich, Zugangsmöglichkeit zum Internet unterstellt, bereits vor einem Besuch in deren Ladenlokal ausreichend über das Internetangebot der Beklagten und dasjenige anderer Anbieter inhaltlich hätte kundig machen können.
2. Soweit es die Abmahnkosten angeht, ist im Berufungsverfahren vorgetragen und unstreitig, dass diese durch das Abmahnschreiben Anlage K 19, auf welches die Antwort K 20 erfolgte, entstanden sind. Dieser Schriftwechsel war zwischen den Parteien auch im ersten Rechtszug unstreitig. Das rechtliche Argument, die Berufungsbeklagte habe nicht vorgetragen, ob sie Rechtsanwaltsgebühren bereits bezahlt habe, greift nicht durch. Auch wenn sie zur Leistung der verlangten Beträge, deren Höhe die Berufungsklägerinnen nicht in Zweifel ziehen, noch verpflichtet sein sollte, steht es ihr im Rahmen des § 249 BGB offen, Zahlung des von ihr später zu entrichtenden Betrages an sich zu verlangen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die erstinstanzliche Kostenentscheidung bedarf der Korrektur. Die geänderte Fassung des Klageantrages, über welche das Landgericht noch zu entscheiden hatte, stellt gegenüber dem ursprünglichen Klageantrag keine Klarstellung dar, sondern beinhaltet eine Teilklagerücknahme. Der Streitgegenstand wird durch Antrag und Sachvortrag bestimmt. Trägt der Sachvortrag den gestellten Antrag nicht und ändert die Klagpartei ihn einschränkend ab, wie es die Klägerin getan hat, so liegt darin eine Teilklagerücknahme.
Dem trägt der Senat dadurch Rechnung, dass er die Klägerin mit einer Kostenquote von einem Viertel der Kosten des ersten Rechtszuges belastet.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Den Streitwert schätzt der Senat nach § 3 ZPO.
IV.
Die Revision wird zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der entscheidungserheblichen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Werbung der hier im Streit stehenden Art mit einem nur an einem einzigen Werktag geltenden Preisnachlass von 19%, die erst am Tag der Rabattgewährung veröffentlicht wird, unlauter i. S. d. §§ 3, 4 Nr. 1 UWG ist, ist weder höchstrichterlich entscheiden, noch ist die zu treffende Entscheidung eindeutig aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuleiten.
OLG Stuttgart Urteil vom 17.4.2008 Az.: 2 U 82/07
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