Im einstweiligen Verfahren hat das Verwaltungsgericht Stuttgart am 16. März 2020 (Az.: 16 K 1466/20) entschieden, dass die Stadt Wertheim ein Late-Night-Shopping-Event vom 14.03.2020 voraussichtlich zu Recht untersagt hat. Der Eilantrag einer beteiligten Firma gegen das behördliche Veranstaltungsverbot hatte keinen Erfolg.
Die auf § 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) gestützte behördliche Schutzmaßnahme sei nach vorläufiger Prüfung rechtmäßig, so das Gericht. Das Verbot stelle eine notwendige Maßnahme dar, um die Ausbreitung des Coronavirus (Covid-19-Virus bzw. SARS-CoV-2) zu verhindern.
Dabei sei es unerheblich, dass es sich bei dem Late-Night-Shopping nicht um eine Großveranstaltung im Sinne der Handlungsempfehlung des Robert-Koch-Instituts handelt. Hinsichtlich des Umfangs setze die Vorschrift nur die Ansammlung einer größeren Anzahl von Menschen voraus. Das beworbene dreistündige Event, würde u.a. mit seinen Sonderangeboten und zeitlich begrenzten Rabatten auf einen außergewöhnlich hohen Besuch abzielen, sodass mit entsprechenden Menschenansammlungen zu rechnen sei.
Auch könne sich die Antragstellerin nicht erfolgreich mit dem Einwand verteidigen, dass es sich nicht um ein geschlossenes Einkaufszentrum, sondern um eine offene Fußgängerzone mit kleinen Ladeneinheiten handelt. Eine Maßnahme nach § 28 Abs. 1 IfSG setze nicht voraus, dass die Ansammlung in geschlossenen Räumen stattfindet.
Auch die zu diesem Zeitpunkt bestehende Verwaltungspraxis zur Eindämmung der Corona-Pandemie stehe der Maßnahme nicht entgegen. Zur Bekämpfung des Coronavirus war es in Baden-Württemberg zwar noch nicht zu behördlichen Einschränkungen des Einzelhandels gekommen. Das Late-Night-Shopping sei aber als zeitlich begrenztes Event mit großer Anziehungskraft vom klassischen Einzelhandel zu unterscheiden.
Gegen den Beschluss des VG Stuttgart kann die Antragstellerin Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einreichen.
Die Pressemitteilung des VG Stuttgart vom 16.03.2020 im Volltext:
Eilantrag gegen infektionsschutzrechtliches Veranstaltungsverbot erfolglos
Die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart hat mit Beschluss vom 14.03.2020 den Eilantrag einer Firma (Antragstellerin) gegen die Stadt Wertheim wegen des Verbots des Late-Night-Shoppings am 14.03.2020 in einem Einkaufszentrum abgelehnt (Az.: 16 K 1466/20). Die Stadt Wertheim hat das angefochtene Verbot aller Voraussicht nach zu Recht ausgesprochen, da nicht nur im Main-Tauber-Kreis, sondern auch am 12.03.2020 in der Stadt Wertheim die erste mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (sog. Covid-19-Virus) infizierte Person gemeldet wurde.
In den Gründen hat die Kammer ausgeführt:
Das Verbot des Late-Night-Shoppings in dem Einkaufszentrum am Samstag, den 14.03.2020 in der Zeit von 20.00 Uhr bis 23.00 Uhr stelle eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Infektionsschutzgesetzes – IfSG – dar, um die rasche Ausbreitung des Covid-19-Virus zu verhindern. Dabei sei es unerheblich, ob es sich bei dem Late-Night-Shopping um eine sog. Großveranstaltung i.S. der Handlungsempfehlungen des Robert-Koch-Instituts handle. Denn die genannte Vorschrift beziehe sich ausdrücklich auf das Verbot oder die Beschränkung von Veranstaltungen und sonstigen Ansammlungen mit einer größeren Anzahl von Menschen, zu denen das Late-Night-Shopping dazugehören dürfte. Das Late-Night-Shopping ziele gerade darauf ab, durch entsprechende Werbung und zusätzliche Angebote sowie speziell für den Zeitraum ab 20:00 Uhr geltende Rabatte einen Eventcharakter zu schaffen. Es solle somit für einen außergewöhnlich hohen Besuch und damit für eine Menschenansammlung auf begrenztem Raum, insbesondere auch in den Räumen der Ladenlokale, sorgen.
Der Einwand der Antragstellerin, das Einkaufszentrum sei kein geschlossenes Einkaufszentrum, sondern eine offene Fußgängerzone unter freiem Himmel mit kleinen Ladeneinheiten, stehe dem nicht entgegenstehen. Denn Anordnungen nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG setzten gerade nicht voraus, dass die Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen in geschlossenen Räumen stattfinden würden.
Die angefochtene Maßnahme sei auch erforderlich, weil entgegen der Auffassung der Antragstellerin eine Interaktion der Kunden und das damit verbundene Infektionsrisiko auch in einem Zeitraum von nur drei Stunden, beispielsweise im Kassenbereich, in kleineren Ladeneinheiten und in Restaurationsbetrieben, voraussichtlich nicht ausgeschlossen werden könne. Es komme auch nicht darauf an, dass die Antragstellerin keine Besucher aus bekannten Risikogebieten oder hochbetagte Menschen mit respiratorischen Beschwerden erwarte, weil das Covid-19-Virus sich nicht auf Personen aus Risikogebieten beschränke. Außerdem solle mit der angegriffenen Maßnahme gerade verhindert werden, dass junge und gesunde Kunden, die von dem Late-Night-Shopping-Event angesprochen würden, sich in dem Einkaufszentrum infizieren und anschließend selbst hochbetagte Menschen und Vorerkrankte anstecken.
Soweit die Antragstellerin rüge, mit der angegriffenen Maßnahme bewege sich die Stadt Wertheim außerhalb der üblichen Verwaltungspraxis in Baden-Württemberg zur Eindämmung der Corona-Pandemie, die an keiner Stelle Einschränkungen des Einzelhandels vorsehe, sei dem entgegenzuhalten, dass sich das Late-Night-Shopping als besonderes, zeitlich begrenztes Event mit seiner großen Anziehungskraft für einen großen Kundenkreis vom klassischen Einzelhandel unterscheiden dürfte.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen ist.