LG Hamburg: Ein Diensteanbieter haftet für fremde Inhalte, wenn er sich diese "zu Eigen" macht…
Das LG Hamburg hat mit Urteil vom 11.07.2008 (Az.: 324 S 2/08) die Haftung eines Internetdienstanbieters für fremde Inhalte – die dieser mittels eines Wiki-Systems in seinen eigenen Internetauftritt eingebunden hatte – wie folgt beurteilt:
1. Sachverhalt
Neben verschiedenen anderen Rubriken enthielt die Website des Beklagten auch ein so genanntes „Wiki-System“, in welches Dritte Beiträge einstellen konnten, die dann in der Form eines Online-Lexikons auf der Internetseite des Beklagten präsentiert wurden.
Der Kläger wurde auf einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Beitrag in dem Online-Wiki-System des Beklagten aufmerksam, den ein Dritter eingestellt hatte. Daraufhin reagierte der Kläger mittels einer persönlichkeitsrechtlichen Abmahnung und forderte von dem Beklagten die Erstattung der Anwaltskosten.
Der Beklagte nahm den Beitrag unverzüglich von seiner Seite und gab eine Unterlassungserklärung ab, verweigerte jedoch die Erstattung der Anwaltskosten.
2. Die Entscheidung des LG Hamburg
Das LG Hamburg entschied nun, dass der Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, dass er die streitgegenständliche Äußerung nicht selbst eingestellt und diese unmittelbar nach Kenntnisnahme entfernt habe. Durch die konkrete Einbindung der fremden Inhalte in seine Webseite habe sich der Diensteanbieter die fremden Inhalte „zu Eigen“ gemacht, wodurch diese Inhalte als „eigene Informationen“ im Sinne von § 7 TMG“ anzusehen seien. Begründet wurde das „zu Eigen machen“ im vorliegenden Fall wie folgt:
„Eigene Informationen in diesem Sinne können nicht nur eigene Behauptungen im eigentlichen Sinne sein, sondern darüber hinaus auch fremd erstellte Inhalte, die der Dienstanbieter sich zu Eigen macht, die er so übernimmt, dass er aus der Sicht eines objektiven Nutzers für sie die Verantwortung tragen will (OLG Köln MMR 2002, 548, 548 m.w.N.). Dazu bedarf es wertender Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls. Entscheidend ist insoweit die Art der Datenübernahme, ihr Zweck und die konkrete Präsentation der fremden Daten durch den Übernehmenden (vgl. OLG Köln, a.a.O.).
Wendet man diese Maßstäbe auf den vorliegenden Fall an, dann geht der Durchschnittsbesucher der Internetseite (…) davon aus, dass es sich bei den auf der Seite und ihren Unterseiten befindlichen Äußerungen, also auch bei der streitgegenständlichen, um solche des Beklagten handelt. Schon der Titel der Seite ist rein subjektiv auf den Beklagten bezogen, es ist sein Tagebuch. Er gestaltet die Seite, er gibt die Rubriken vor. Er bietet gerade nicht nur ein Forum an, das Dritte durch ihre Beiträge erst ausfüllen und so gestalten.
Auch die Unterseite “(…)“ ist entsprechend subjektiv gestaltet. So wird das (…) als “dem parteiischen Wiki mit wertenden Informationen in deutlicher Sprache“ beschrieben. Dadurch unterscheidet es sich gerade von der Internetseite Wikipedia. Der Beklagte fordert auf der Unterseite “(…)“ zwar Dritte auf, an der Erstellung des Lexikons mitzuwirken. Es findet sich aber keine Distanzierung zu den Beiträgen Dritter, im Gegenteil beinhaltet das Wort “mitzuwirken“ bereits ein zu eigen machen im Sinne eines gemeinsamen Erschaffens.
Für ein zu-eigen-machen spricht vorliegend auch der Umstand, dass für einen Außenstehenden gar nicht erkennbar ist, ob ein bestimmter Beitrag vom Beklagten oder einem Dritten verfasst und eingestellt wurde. Auch in Bezug auf die streitgegenständliche Äußerung ist nicht ersichtlich, von wem sie stammt, oder dass sie von einem Dritten eingestellt worden ist. Wollte sich der Beklagte aber von den Beiträgen Dritter distanzieren, dann wäre das nur eine Voraussetzung.
Der Beklagte handelte in Bezug auf die streitgegenständliche Äußerung fahrlässig. Er hat mit der Aufforderung, an dem (…) mitzuwirken, eine Ursache für die vorliegende Rechtsverletzung gesetzt. Er hat gerade dazu aufgefordert, einseitige, subjektive und parteiische Beiträge zu verfassen (“(…) dem parteiischen Wiki mit wertenden Informationen in deutlicher Sprache“). Damit hat er ein besonderes Risiko gesetzt, dass persönlichkeitsrechtlich problematische Beiträge eingestellt werden.“
3. Hinweis
Mit Urteil vom 16.05.2008 (Az.: 324 O 847/07) hatte das LG Hamburg in einem ähnlichen Fall die Haftung eines Diensteanbieters für fremde (Wiki-)Inhalte abgelehnt.
Der Unterschied zu dem vorherigen Fall bestand im Wesentlichen darin, dass in diesem Fall für den Nutzer deutlich wurde, dass hier kein Service des Beklagten genutzt wurde, sondern lediglich über die Seite des Beklagten ein Zugriff auf die Online-Enzyklopädie „Wikipedia“ erfolgte. Insofern hatte sich der Beklagte in diesem Fall die fremden (rechtswidrigen) Inhalte nicht „zu Eigen“ gemacht.
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