Abdruck von Grass-Briefen in der FAZ stellt Verstoß gegen das Veröffentlichungsrecht dar…
…wie das Kammergericht Berlin mit Urteil vom 27.11.2007 (Az.: 5 U 63/07) entschieden hat.
Zunächst stellt das Gericht fest, dass der bekannte Schriftsteller Günther Grass durch die erstmalige Veröffentlichung zweier Briefe in der FAZ in seinem Veröffentlichungsrecht aus § 12 Abs. 1 UrhG verletzt wurde.
„Die Veröffentlichung der beiden Briefe verletzt den Antragsteller in seinem Recht aus § 12 Abs. 1 UrhG. Nach der genannten Vorschrift hat der Urheber das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Mit dem streitgegenständlichen Abdruck sind beide Briefe (erstmals) i.S. von § 6 Abs. 1 UrhG „der Öffentlichkeit zugänglich gemacht“ worden. Damit ist – wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat – in das dem Antragsteller zustehende Veröffentlichungsrecht eingegriffen worden.“
Zudem sei der Eingriff auch nicht durch eine der in §§ 44a ff. UrhG normierten Schranken des Urheberrechts, insbesondere nicht durch das in § 51 UrhG geregelte Zitatrecht gedeckt.
„Der Eingriff ist auch nicht durch eine der in §§ 44a ff. UrhG normierten Schranken gedeckt. Insbesondere auf das in § 51 UrhG geregelte Zitatrecht kann der Eingriff – worauf die Berufung selbst zutreffend hinweist – nicht gestützt werden, da Nr. 2 besagter Vorschrift ein veröffentlichtes und die beiden anderen Varianten sogar ein erschienenes Werk voraussetzen, sodass die Vorschrift dem Wortlaut nach schon aus diesem Grunde nicht greift.“
Schließlich entschieden die Richter, dass auch verfassungsrechtliche Gründe für eine (Erst-)Veröffentlichung der Briefe nicht vorlagen. Aufgrund der Entscheidung des Gesetzgebers, das Erstveröffentlichungsrecht des Urhebers nahezu uneingeschränkt zu schützen, könne die Meinungs- und Pressefreiheit einen Eingriff allenfalls ganz ausnahmsweise rechtfertigen. Im vorliegenden Fall verneinte das Gericht jedoch – nach Durchführung einer umfassenden Interessenabwägung beider Parteien – das Vorliegen einer solchen Ausnahme:
„Der Antragsteller hat hier ein nachvollziehbares Interesse, dass seine Jahrzehnte alten Briefe an einen damaligen (politischen) Freund nicht öffentlich gemacht werden, auch wenn sie sich mit allgemein interessierenden Angelegenheiten beschäftigten und der Antragsteller nicht in einer (auch gar nicht beabsichtigten) wirtschaftlichen Verwertung beeinträchtigt wird, sondern in Aspekten seines (Urheber-) Persönlichkeitsrechts bezüglich seiner geistigen, persönlichen und politischen Haltung zum Empfänger der in Rede stehenden Briefe.
Auf der anderen Seite ist auch die durchaus große zeitgeschichtliche Bedeutung des Umstands nicht zu verkennen, dass der Antragsteller als herausragender deutscher Schriftsteller und zwischenzeitlicher Literatur-Nobelpreisträger, der über Jahrzehnte eine Position als moralische Autorität – auch im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der NS-Zeit – in Anspruch genommen hat, sich erst spät dazu bekannt hat, dass er als Jugendlicher Mitglied der Waffen-SS war. In diesem Zusammenhang ist es für die Öffentlichkeit in der Tat von beachtlichem Interesse, dass der Antragsteller 1969/70 einen (politischen) Freund – den damaligen Wirtschaftsminister – brieflich dazu drängte, sich öffentlich zu dessen Funktion in der NS-Zeit zu bekennen, bzw. ihn (herb) dafür kritisierte, dass dieser seiner Anregung nicht folgte.
Das rechtfertigt andererseits aber jedenfalls nicht die – allein in Streit stehende – fast vollständige Veröffentlichung der in Rede stehenden Briefe in ihrer Gesamtheit. Die Antragsgegnerin macht auf diese Weise den Antragsteller mit seinen eigenen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten, Worten zum Zeugen gegen sich selbst, beispielsweise auch, was den Ton seiner Belehrungen zur Wahlkampfführung an den Minister angeht, die mit dem heute vornehmlich interessierenden
Thema des beiderseitigen Verhaltens während der Nazizeit in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen.Jedenfalls eine derart umfassende Wiedergabe der Briefe ist, auch wenn andererseits Zitate nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden dürfen, durch ein – grundsätzlich nicht von der Hand zu weisendes – Berichterstattungsinteresse der Antragsgegnerin nicht gerechtfertigt, da dieses Interesse insoweit hinter dem aus dem (Urheber-) Persönlichkeitsrecht fließenden „Geheimhaltungsinteresse“ des Antragstellers zurückzustehen hat.“
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