Keine Hehlerei bei Kauf unter Preis bei eBay…
…wie das LG Karlsruhe mit Urteil vom 28.9.2007 (Az.: Ns 84 Js 5040/07) entschieden hat.
Sachverhalt…
Der Angeklagte wollte sich ein Navigationsgerät bei Ebay ersteigern. Zu diesem Zweck verfolgte er die einschlägigen Auktionen bis er auf folgendes Angebot aufmerksam wurde. Der Verkäufer beschrieb das angebotene Gerät als „nagelneu“, „noch nie benutzt“ und „top legal“. Der Angeklagte ging davon aus, dass er im Falle des Zuschlags mit der Geldzahlung in Vorleistung treten müsste. Ihm war klar, dass er riskierte, gar keine oder eine schlechte Ware zugesendet zu bekommen, und ihm war auch bewusst, dass er in einem solchen Falle kaum eine Chance hätte, sein Geld zurück zu bekommen, da der Anbieter sich nicht in Deutschland, sondern im Ausland, nämlich in Polen befand. Daher war es ihm wichtig, dass der Anbieter als „Powerseller“ auftrat und im „eBay“-Bewertungssystem bei 791 von früheren Käufern abgegebenen Bewertungen 99% positive Bewertungen erhalten hatte. Insbesondere die hohe Zahl positiver Bewertungen beruhigte den Angeklagten.
Tatsächlich handelte es sich um ein gestohlenes Gerät. Auf den Gedanken, das ersteigerte Gerät könne womöglich gestohlen oder sonst durch eine Straftat erlangt worden sein, kam er auch nach Erhalt des Gerätes nicht.
Anklage der Staatsanwaltschaft…
Dem Angeklagten war nun von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, er habe über die Versteigerungsbörse „eBay“ zum Höchstgebot von 671,- EUR ein als „nagelneu“ angebotenes Navigationsgerät der Marke „VW-Navigation MFD DX“ gekauft, obwohl er gewusst habe, dass der Neuwert mindestens 2137,- EUR betragen habe. Damit habe er zumindest billigend in Kauf genommen, dass das Gerät dem Eigentümer durch eine rechtswidrige Tat abhanden gekommen sei.
Urteil des AG Pfortzheim…
Das Amtsgericht Pforzheim verurteilte den Angeklagten wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,- EUR.
Berufungsurteil des LG Karlsruhe…
Hiergegen legte der Angeklagten Berufung ein, die zur Aufhebung des Urteils und zum Freispruch durch das LG Karlsruhe führte.
Kein bedingter Vorsatz aufgrund des geringen Startpreises…
Der Umstand, dass trotz des erheblichen Werts des angebotenen Navigationsgeräts der Startpreis lediglich 1,- EUR betrug, sei kein taugliches Indiz dafür, dass der Angeklagte es für möglich gehalten hätte, er steigere auf Diebesgut. Mit dem Startpreis lege der Anbieter einer Onlineversteigerung fest, wie hoch das Mindestangebot sein müsse. Wenngleich bei vielen Onlineversteigerungen über „eBay“ auch teils sehr hohe Startpreise festgelegt würden, weil die Anbieter fürchten, ansonsten könne der angebotene Gegenstand einen Zuschlag weit unter Wert erhalten, würden die meisten Anbieter hiervon doch keinen Gebrauch machen. Die Angabe eines geringen Startpreises könne auf den unterschiedlichsten Motiven des Anbieters beruhen, wie etwa einer beabsichtigten Ersparnis höherer Gebühren für einen höheren Startpreis, Werbezwecken bzw. der Erreichung eines größeren Bieterkreises oder der Erwartung auch über eine niedrig beginnende Auktion einen besonders hohen Preis im Rahmen der Auktion zu erzielen, denn durch niedrige Startpreise würden auch solche Interessenten zur Teilnahme an einer Versteigerung veranlasst, die bei hohen Startangeboten sofort abgeschreckt würden. Je mehr Interessenten Gebote abgeben würden, desto eher könne der Anbieter darauf hoffen, dass die Angebote sich hochschaukeln, vielleicht durch Mitzieheffekte auch solche Angebote abgegeben werden, die die Interessenten ursprünglich nicht ins Auge gefasst hätten, und insgesamt ein interessanter Zuschlagspreis erreicht wird.
Kein bedingter Vorsatz aufgrund des günstigen Ersteigerungspreises…
Der Preis, zu dem im Fall des Angeklagten der Zuschlag erfolgte, sei ebenfalls nicht geeignet, seine Einlassungen zu widerlegen. Zunächst einmal sei der Zuschlagspreis weder vom Käufer noch vom Anbieter (so er sich nicht unlauterer Methoden wie der Einschaltung von Scheinbietern bedient) nicht direkt zu beeinflussen. Jede Versteigerung habe ihre eigene Dynamik. Ein Artikel könne durch die geschilderten Mitzieheffekte teurer werden als bei einem Einkauf in einem normalen Laden, es könne aber auch das Gegenteil der Fall sein. Erfahrene „eBay“-Mitglieder wüssten das und hofften gerade darum, durch geschicktes Bieten und das Einhalten selbst gewählter Angebotsobergrenzen früher oder später ein „Schnäppchen“ zu machen. Dass der Angeklagte ein Gerät, von dem er selbst wusste, dass er beim Vertragshändler (ohne Einbauzubehör) etwa 2100,- EUR zahlen müsste, für nur 671,- EUR bekommen konnte, sei für ihn als erfahrenes „eBay“-Mitglied daher noch kein Anlass zu besonderem Misstrauen gewesen.
Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass die Einlassung des Angeklagten, er sei davon ausgegangen, es handele sich um sogenannte „B-Ware“, durchaus plausibel sei. Als „B-Ware“ würden Verkaufsartikel bezeichnet, die aus dem normalen Vertrieb eines Händlers herausfallen und zum Sonderpreis angeboten werden, dabei aber neu bzw. neuwertig und voll funktionsfähig sind sowie der regulären Gewährleistung unterliegen. Dabei könne es sich um Artikel handeln, die nicht mehr original verpackt sind, aber als neu gelten, weil sie z. B. nur einmal ausgepackt und vorgeführt bzw. vom Kunden angesehen wurden, oder um Retouren aus dem Versandhandel, um sogenannte Serviceware, also Artikel, die bereits einmal repariert und so in einen neuwertigen Stand zurückversetzt wurden, um Rest- bzw. Sonderposten oder um Artikel, die zum Zweck des Garantieumtausches im Herstellerlager vorgehalten wurden und bei Auslaufen der Produktreihe ebenfalls in den Verkauf gelangen. Es könne dahin gestellt bleiben, ob zum Zeitpunkt der Auktion Geräte wie das vom Angeklagten ersteigerte tatsächlich als „B-Ware“ gehandelt wurden, denn solch detailliertes Insiderwissen hatte der Angeklagte nicht. Fest stehe jedenfalls, dass es in vielen Bereichen derartige „B-Ware“ tatsächlich gibt und solche Artikel mit zum Teil ganz erheblichen Preisnachlässen gehandelt würden. Damit sei seine Einlassung nachvollziehbar.
Kein bedingter Vorsatz aufgrund des Sitzes des Verkäufers…
Dass der Anbieter des Navigationsgeräts sich in Polen befand, könne ebenfalls nicht als Indiz dafür herangezogen werden, dass der Angeklagte mit Diebesgut gerechnet habe. Die Republik Polen ist seit dem 1. Mai 2004 Mitgliedstaat der Europäischen Union, der Volkswagen-Konzern sei in Polen als Hersteller präsent.
Entlastung durch Bewertungsprofil des Verkäufers…
Dafür, dass der Angeklagte gerade nicht dachte, er habe es womöglich mit einem Anbieter gestohlener (oder sonst zweifelhafter) Ware zu tun, spräche hingegen, dass das von ihm vor der Angebotsabgabe studierte Bewertungsprofil des ‚Verkäufers hervorragend ausgefallen war. Das Bewertungsprofil wies bei 791 Verkäufen eine Quote von 99 % positiven Bewertungen aus. Das deutete darauf hin, dass zuvor bei einer Vielzahl von Transaktionen alles mit rechten Dingen zugegangen sei.
Entlastung durch Vorkasse…
Schließlich weise auch der Aspekt, dass der Angeklagte Vorkasse leistete, eher darauf hin, dass er nicht mit der Möglichkeit kalkulierte, es werde ihm Hehlgut angeboten. Hätte der Angeklagte diese Möglichkeit bedacht, dann wäre er nämlich zwangsläufig davon ausgegangen, es bei dem Verkäufer mit einem Kriminellen zu tun zu haben. Dann hätte natürlich auch auf der Hand gelegen, dass er selbst Opfer dieses Straftäters werden könne, z. B. indem er nach Zahlung überhaupt nichts geliefert bekäme. Es sei lebensfremd zu unterstellen, der Angeklagte hätte in diesem Fall bewusst mehrere hundert Euro aufs Spiel gesetzt.
Schließlich seien auch keine ausreichenden Indizien vorhanden, dass der Angeklagte nach Erhalt der Ware von Diebesgut ausgegangen wäre.
Vorsicht bei „Sofortkauf“-Angebot…
Ob etwas anderes gelten müsste, wenn – wie bei einem „Sofortkauf“-Angebot – von vornherein eine erhebliche Diskrepanz zum üblichen Marktpreis erkennbar ist, brauchte hier nicht entscheiden zu werden, da eine solche Option nicht Bestandteil des Angebots war.
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